In unserer unregemäßigen #AskUS Kolumne beantworten wir LeserInnenfragen. Wenn Du auch eine Frage hast, schreib sie einfach auf Twitter, Facebook oder Email.
Um zu verstehen, wie ein Independent, wie es Bernie Sanders im Senat war, jetzt als Demokratischer Kandidat gilt, muss man sich zuerst vom europäischen Verständnis von Parteiorganisation und -mitgliedschaft verabschieden. Anders, als viele glauben gibt es in den USA schon soetwas wie Parteimitgliedschaft. Allerdings erstens mit von Staat zu Staat unterschiedlichen Regeln (Hurray to Federalism!) und zweitens wird diese Mitgliedschaft nicht bei einer Partei deklariert, sondern bei der Registrierung als WählerIn, wo man (in den meisten Bundesstaaten – siehe Pkt 1) angeben muss, ob man Democrat, Independent oder Republican ist (Details zu jedem Bundesstaat gibt es hier – Relevant für unseren Fall: In Sanders‘ Bundesstaat Vermont muss man sich nicht offiziell für eine Partei entscheiden.)
Ähnlich verhält es sich mit der Kandidatur: Man verkündet die Ambitionen der Federal Election Commission, wo man angeben muss, für welche Partei man antritt (hier eine Liste aller 1536 KandidatInnen aller Parteien). Damit nicht genug, man muss sich außerdem in jedem Bundesstaat für die Primary anmelden, die jeweils andere Regeln haben. Und natürlich haben die Parteien – auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene – auch noch ein Wörtchen mitzureden. Das geht zum Teil direkt, also etwa weil der Kandidat die Kriterien nicht erfüllt (weil er zB schon einmal für eine andere Partei kandidiert hatte) zum Teil durch indirekten Einfluss. Larry Lessig, etwa, kandidierte als Demokrat gegen den Willen der Partei, die daraufhin die TV-Debatten-Regeln so schrieb, dass er nicht teilnehmen durfte.
Parteiisch wider Willen
Aber alleine das wäre zu einfach: Es kann nämlich auch passieren, dass eine Partei einen Kandidaten ohne dessen Willen nominiert. So geschehen in Sanders‘ Heimatbundesstaat Vermont, wo er bei beiden Senatskandidaturen also ’06 und ’12 – zuvor war er im Abgeordnetenhaus – die Nominierung gewann, aber nicht annahm, sondern stattdessen als Independent kandidierte und gewann. Was nicht bedeutet, das er nicht von den DemokratInnen unterstützt wurde – im Gegenteil. Sowohl der damalige Senator Obama als auch der Vorsitzende des Democratic Senatorial Campaign Committees unterstützten die Kandidatur offiziell, was bedeutete dass kein anderer demokratischer Kandidat darauf hoffen konnte, Geld von der Partei zu bekommen.
Doch die Ablehnung der Demokratischen Nominierung machten Sanders‘ Kandidatur als Demokrat in New Hampshire fast sieben Monate lang unsicher: Obwohl sogar der Vorsitzende der Demokraten in New Hampshire dabei war, als Sanders im April seine Kandidatur beim NH Secretary of State bekannt gab, hätte jemand noch bis November Einspruch erheben und die Gerichte damit befassen können, ob Sanders tatsächlich als Demokrat zulässig ist.
Parteiisch im Amt
Wer glaubt, das sei verwirrend, kennt nur die halbe Geschichte. Denn auf Ebene der Kandidatur kann man festhalten, dass Sanders tatsächlich zum ersten Mal als Demokrat antritt.
Auf der Ebene des Amtes ist seine Parteizugehörigkeit noch ein wenig fluider: Im Senat verhält er sich nämlich als Demokrat, ist offizielles Mitglied des Democratic Senate Caucus, ist dadurch Minderheitsvorsitzender des Budgetausschusses und ist trotzdem gelistet Independent Senator of Vermont.
Und auch in seinen 16 Jahren als unabhängiger Abgeordneter im Repräsentantenhaus war er nicht besonders unabhängig: Immerhin war er 1991 Mitgründer des Congressional Progressive Caucus*, einer Vereinigung linker Abgeordneter, die mit 68 Mitgliedern mittlerweile die größte inhaltliche Pressure Group innerhalb der DemokratInnen im House (insgesamt 161) sind.
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*Congressional Caucuses darf man nicht mit Senate Caucus verwechseln und schon garnicht mit (Iowa) Caucus. Erstere sind informelle Zusammenschlüsse – teils inhaltlicher (Progressive, Tea Party, Freedom), teils demographischer (Black, Sikh, Army, teils absurder/interessensgeleiteter Natur (Congressional Maker Caucus, Congressional Baseball Caucus) oft auch über beide Kammern hinweg. Manchmal teil einer Partei, manchmal bi-partisan, in manchen Fällen gibt es einen von jeder Partei – der Congressional Hispanic Caucus ist Demokratisch, die Congressional Hispanic Conference ist Republikanisch.
Und dann gibt es noch die vier offiziellen Parteicaucuses – republikanisch und demokratisch im House und im Senat, wobei im Senat die Caucuses wichtiger und vergleichbar mit einer Fraktion im Europaparlament sind: ohne Zugehörigkeit hat man keine Rechte was Ausschüsse, Anträge und dergleichen betrifft. Im House ist das weniger wichtig, weil wer nicht teil der Mehrheitspartei ist, hat ohnehin nichts zu melden.