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08. Oct. 2015
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08. Nov. 2016
Verbrannte Erde

Verbrannte Erde

Alle Anzeichen deuten daraufhin, dass Hillary Clinton im kommenden Jänner ins Weiße Haus einziehen wird. Der Umstand, dass ein unberechenbares Alphamännchen wie Donald Trump nicht die Codes zum Einsatz von Atomwaffen ausgehändigt bekommen wird, ist für viele Menschen mit Sicherheit eine gewisse Erleichterung. Wer aber glaubt, der Spuk sei damit vorbei und die Republikaner würden sich – geläutert durch diese Erfahrung – wieder auf die politische Mitte zubewegen, sollte sich nicht zu früh freuen. Die Folgen von Trumps Kandidatur werden uns noch länger beschäftigen.

Mit über 200 Jahren demokratischer Praxis sind die USA eine der ältesten ununterbrochenen Demokratien der Welt. Ein Ergebnis (wie auch eine der Grundlagen) dieser langen Tradition sind zahlreiche politische Rituale, die nicht selten mit einer religiös anmutenden Leidenschaft vollzogen werden. Von den Primaries bis zur Angelobung – der Wahlkampf um das Weiße Haus ist eine einzige Abfolge solcher pathetisch zelebrierter Ereignisse und Handlungen mit hohem Symbolgehalt. Als Europäer mögen wir manches davon als skurrile Folklore belächeln, sollten dabei aber nicht vergessen, dass die United States wahrscheinlich deutlich weniger „united“ wären, gäbe es diese Bräuche nicht. Die amerikanischen Politikwissenschaftler Gabriel A. Almond und Sydney Verba haben bereits in den 1950er und -60er-Jahren mit ihren Untersuchungen zur „politischen Kultur“ (im Original: Civic Culture) herausgearbeitet, dass derartige „demokratische Mythen“ und Rituale einen unverzichtbaren Beitrag zur Stabilisierung einer demokratischen Ordnung leisten.

Eine dieser rituellen Inszenierungen, die für die Demokratie in den USA gleichermaßen typisch wie konstitutierend sind, ist der Wahlabend. Das traditionelle Drehbuch sieht vor, dass die durch den Wahlkampf gespaltene Nation wieder zu ihrer Einigkeit zurückfindet, sobald das Ergebnis des Urnengangs feststeht. Zuerst, so verlangt es die Konvention, ruft der Verlierer den Gewinner an, um ihm zu gratulieren. Danach wendet er sich an die Öffentlichkeit, um seine concession speech zu halten – eine Rede, die üblicherweise das Pathos der Niederlage auszukosten weiß und bestimmten Regeln folgt. Selbstverständlich dankt der Verlierer darin seinen UnterstützerInnen, ganz besonders seiner Familie, seinem „running mate“ und natürlich auch seinen WählerInnen. Er weist darauf hin, dass seine Kampagne trotz der Niederlage einige bemerkenswerte Erfolge erzielen und die Bedeutung der von ihm angesprochenen Themen unterstreichen konnte. Und er verbeugt sich respektvoll vor dem Wahlerfolg des Siegers, wünscht ihm alles Gute für die bevorstehende Amtszeit und appelliert an die gemeinsamen Werte aller Bürgerinnen und Bürger, um die Einheit des Landes zu beschwören.

Eine gutes Beispiel dafür lieferte Al Gore – zugegebenermaßen mit der dramaturgischen Besonderheit, dass er seine concession speech nicht am Wahlabend hielt. Wir erinnern uns: Durch die Auseinandersetzung um die korrekte Auszählung der Stimmen in Florida stand das Ergebnis der US-Präsidentenwahl im Jahr 2000 erst ein Monat nach der Wahl fest. Ein (mehrheitlich von republikanischen Präsidenten ernannter) Supreme Court verbot damals letztinstanzlich eine erneute Nachzählung in bestimmten Wahlkreisen – wodurch sich George W. Bush die 25 Wahlmänner Floridas mit dem denkbar knappen Vorsprung von 537 Stimmen sicherte und im Electoral College fünf Wahlmänner mehr als Gore hatte. Obwohl Al Gore bundesweit das „popular vote“ mit einem Vorsprung von etwa einer halbe Million Stimmen gewonnen hatte, verlor er den Kampf ums Weiße Haus – und hätte daher wohl gute Gründe gehabt, die Legitimität der „Wahl“ seines politischen Gegenspielers in Frage zu stellen. Dennoch lieferte Gore – am Ende dieser extrem harten und mit allen juristischen Mitteln geführten Auseinandersetzung – eine nahezu mustergültige concession speech ab:


 

Das ungeschriebene Protokoll der US-Wahlen sieht vor, dass auf die concession speech des Verlierers die acceptance speech des Siegers folgt, die sich – mal ganz abgesehen von der Grundstimmung – an der gleichen Struktur orientiert: Vielen Menschen danken (darunter auch dem Verlierer, der eigentlich ganz in Ordnung ist), die historische Dimension des Erfolgs betonen und – alles andere wäre verwunderlich – mit einem „God Bless the United States of America“ enden.

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es am Abend des 8. November Hillary Clinton sein wird, die als erste Frau und designierte 45. US-Präsidentin ihre acceptance speech halten wird. Weitaus fraglicher ist hingegen, ob ihr Gegenspieler Donald Trump ihr davor gratulieren und mit einer angemessenen concession speech seine Niederlage eingestehen wird. Immerhin hat er diese Frage sogar bei der dritten und letzten TV-Debatte mit Hillary Clinton offen gelassen – und es wäre nicht das erste Mal, dass Trump sich nicht an Konventionen hält. In der Tat scheint er mit seiner (durch keinen konkreten Beleg gedeckten und dennoch hartnäckig wiederholten) Behauptung, die bevorstehende Wahl könnte manipuliert werden, bereits an einer Legende zu basteln, die es ihm ermöglicht, andere Faktoren als sich selbst für seine absehbare Niederlage verantwortlich zu machen.

Solche Aussagen legen die Vermutung nahe, dass Trump seine Niederlage am Wahlabend nicht eingestehen wird. Es scheint nicht sehr geneigt, etwas dazu beitragen zu wollen, dass jene politischen Gräben zugeschüttet und überwunden werden können, die in diesem Wahljahr – nicht zuletzt aufgrund seiner Strategie der verbrannten Erde – aufgerissen wurden. Die Demokraten bauen dieser Entwicklung bis zu einem gewissen Grad vor, wie dieser Medienauftritt Barack Obamas zeigt, der eine Lektion in Sachen politischer (US-)Kultur ist:


 

Auch der Brief, den George Bush 1993 für Bill Clinton im Oval Office hinterließ, macht in diesen Tagen wohl nicht ganz zufällig als Beispiel für Fairness und einen guten politischen Stil die Runde:

before-he-left-office-bush-sr-left-this-touching-letter-for-bill-clinton-2
 

Die Verbreitung solcher Geschichten gehört zu den Präventivmaßnahmen des demokratischen Lagers. Sollte Trump am Wahlabend ein schlechter Verlierer sein, wird er die öffentliche Meinung mehrheitlich gegen sich haben. Doch das dürfte ihm (und seinem dann wohl etwas gekränktem Ego) einigermaßen egal sein. Und es wird Hillary Clinton in den kommenden vier Jahren nur wenig helfen. Denn Clintons absehbarer Wahlsieg wird nur auf den ersten Blick ein glänzender Triumph sein – bei genauerer Betrachtung könnte damit der Beginn einer Amtszeit markiert werden, über der sehr dunkle Wolken schweben. Es sind die dunklen Rauchwolken der verbrannten Erde, die dieses US-Wahljahr hinterlässt. Dafür sprechen mehrere Gründe …

  • Trump wird nicht aufgeben. In der einen oder anderen Form wird der Milliardär wohl weiterkämpfen. Gerade deshalb, weil ihm die Präsidentschaftswahl eine Niederlage beschert, wird er den Krieg gegen Hillary Clinton (und jene Kräfte in den Reihen der Republikaner, die ihn verhindern wollten) weiterführen wollen. Es ist nicht auszuschließen, dass es dies zu seiner neuen Lebensaufgabe macht, zumal ihm das auch in Zukunft jede Menge Aufmerksamkeit sichert. Außerdem hat er sich in diesem Jahr zum Anführer einer zwar nicht mehrheitsfähigen, aber dennoch relevanten politischen Strömung in der US-Politik aufgeschwungen, die sich nicht einfach in Luft auflösen wird. Es macht die Geschichte die Runde, Trump könnte seinen neuen Status nutzen, um nach der Wahl ins Mediengeschäft einzusteigen und ein media network im Stil von Fox (nur rechts davon) zu etablieren. Vollkommen unplausibel wäre das nicht: So könnte Trump sein Lager verfestigen, als politischer Faktor weiterhin Druck machen und gleichzeitig Geld damit verdienen. Aber auch sonst dürfte er Hillary Clinton das Leben bzw. die Amtszeit wohl so schwer wie möglich machen. Um sich in vier Jahren, falls Clinton nicht mehr antreten oder nicht wiedergewählt werden sollte, doch noch in die Siegerpose werfen zu können.
  • Die Republikaner werden rechter. Wer glaubt, die republikanischen Abgeordneten in Kongress und Senat werden sich durch die Trump-Episode geläutert auf die Mitte zubewegen, übersieht die „down ballot“-Folgen dieses Wahlgangs. Denn jene Abgeordneten, die aufgrund des polarisierenden Verhaltens von Donald Trump ihre Mandate verlieren werden, sind eher jene gemäßigteren Stimmen aus den umkämpften „swing states“ bzw. urbaneren Wahlkreisen. Übrig bleiben damit die weniger moderaten Mandatsträger aus den republikanischen Hochburgen – die dadurch noch tonangebender werden.
  • Kompromisse werden schwieriger. Diese Polarisierung betrifft nicht nur die Republikaner. Bei den Demokraten geht der linke Flügel rund um Bernie Sanders und Elizabeth Warren innerparteilich gestärkt aus diesem Wahljahr hervor. Dieser Teil der Demokraten hat keinerlei Lust darauf, aus politischem Pragmatismus zweischneidige Kompromisse mit verstockten Konservativen einzugehen. Demgegenüber steht ein ideologisch verhärteter Klub von GOP-Abgeordneten, der nach der Wahl wohl einige Wunden zu lecken haben wird und sich daher nur sehr schwer für Mittelwege erwärmen dürfte. Unter diesen Rahmenbedingungen wird es für Clinton sehr schwer werden, die Polarisierung – und die daraus resultierenden Blockaden – zu überwinden, Kompromisslösungen zu erzielen und damit Mehrheiten für Projekte zu finden, die den US-BürgerInnen das Gefühl vermitteln, dass die Politik etwas weiterbringt.
  • Die Dämme sind gebrochen. Obwohl Trump damit letztlich nicht erfolgreich war, ist davon auszugehen, dass er ein Trendsetter ist. Die politischen Auseinandersetzungen dürften (nicht trotz, sondern wegen Trump) in den nächsten Jahren noch härter und polarisierender geführt werden, als dies bislang der Fall war. Denn Trump hat mit seinem Kampagnenstil viele Dämme gebrochen und war damit – zumindest innerparteilich bei den Republikanern – durchaus erfolgreich. Er hat eine Büchse der Pandora geöffnet, die auf absehbare Zeit wohl niemand mehr schließen wird können – und mancherorts ist das auch gar nicht gewollt. Schließlich sehen nach (oder neben) Trump politische Fundamentalisten wie Ted Cruz inzwischen aus wie Politiker mit sehr vernünftigen Ansichten. Das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine Verbesserung der Diskurskultur.
  • Die Republikaner wittern ihre Chance. Auch wenn Trump verliert: Nach der Wahl ist für die meisten GOP-Politiker vor der Wahl. In zwei Jahren finden die nächsten midterm elections statt und eine Präsidentin mit so niedrigen Beliebtheitswerten und polarisierenden Eigenschaften wie Hillary Clinton ist eine gute Voraussetzung für die GOP, um sich von der Trump-Kandidatur zu erholen. Clinton dient vielen Republikanern schon seit Jahrzehnten als Feindbild und wird es daher doppelt schwer haben, die politische Spaltung im Land zu heilen. Auch ihre Chancen auf eine Wiederwahl sollten nicht überschätzt werden. Der letzte US-Präsident, der seiner Partei eine vierte Amtszeit in Folge bescherte, war Harry S. Truman – und das war 1948 eine ziemliche Überraschung (wie nicht zuletzt das legendäre Foto belegt, auf dem Truman eine Zeitung mit der Headline „Dewey beats Truman“ in der Hand hält). Sollte die US-Wirtschaft nicht zu einem Boom ansetzen, dürfte die Wiederwahl für Clinton eine weitaus größere Herausforderungen werden als diese Wahl – und das wissen auch die Republikaner.

Alles in allem keine sehr erfreulichen Aussichten für die Amtszeit der voraussichtlich ersten Frau im Oval Office. Der Teufelskreis der Polarisierung wird sich wohl weiterdrehen – und der Wahlabend wird diesbezüglich ein erster Testlauf werden. Vielleicht werden wir Wörte wie jene von Al Gore hören:

„For the sake of our unity as a people and the strength of our democracy, I offer my concession. I also accept my responsibility, which I will discharge unconditionally, to honor the new president-elect and do everything possible to help him bring Americans together.“

Es sieht derzeit allerdings nicht so aus, als würde Trump solche Sätze über seine Lippen bringen. Das sollte dann allerdings niemand auf die leichte Schulter nehmen, denn es ist weitaus mehr als eine kleine, symbolische Gemeinheit eines selbstsüchtigen Großmauls. Es ist ein Zeichen für einen Verlust von politischer Kultur, den eine Demokratie auf Dauer nicht unbeschadet übersteht. Denn eine funktionierende Demokratie braucht nicht nur gute AmtsinhaberInnen, sie braucht ebenso sehr eine immer seltener werdende Spezies von PolitikerInnen: gute Verlierer.

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